Skip to content

Interview Craft-Magazin für Bierkultur: „AUCH EINE HERZENSSACHE“

Oft übernehmen Töchter und Söhne traditioneller Brauereien die Betriebe ihrer Vorfahren (Titelthema CRAFT 4/21). Glaabsbräu aus dem hessischen Seligenstadt geht einen anderen Weg. Hier setzen die Inhaber Robert Glaab und seine Frau Emmanuelle Bitton-Glaab auf ihren Braumeister Julian Menner, der im September in die Geschäftsführung eingestiegen ist. Ein Gespräch über die Hintergründe dieser Entscheidung.

Herr Glaab, Sie legen die Geschäftsführung in die Hände Ihres Braumeisters Julian Menner. Warum das?

Diese Art der Nachfolge hat strategische Gründe und passt zu unserer Neuausrichtung, die wir seit 2015 forcieren. Seitdem haben wir nicht nur sehr viel im Unternehmen verändert und die Brauerei komplett neu aufgestellt. Es ist das Jahr, in dem auch Julian Menner als Braumeister zu uns kam. Die Entscheidung für ihn hatte damals bereits etwas Langfristiges, Verbindliches. Ich selbst bin den vielleicht naheliegendsten Weg gegangen, als ich 1998 in die Brauerei meiner Familie eingestiegen bin, diese zunächst zwei Jahre mit meinem Vater und danach alleine geführt habe. Warum aber sollte man hier nicht auch neue Wege gehen können? Es heißt ja nicht, dass die Familienmitglieder auch immer die besten Unternehmer sind.

Und Ihre Kinder? Was ist, wenn diese später doch noch in den Betrieb hineinwachsen wollen? Unsere Kinder sind ja noch sehr jung.

Unsere Tochter ist 16, unser Sohn 18 Jahre alt. Gerade hat er ein BWL-Studium begonnen. Ob er einmal Interesse an der Brauerei hat, ist im Moment offen und das ist gut so. Die Kinder sollen sich unbedingt frei fühlen in ihren Entscheidungen, das ist uns ganz wichtig. Auch ich bin ja erst mit 33 Jahren in den Familienbetrieb gekommen. Da ist noch jede Menge zeitlicher Spielraum, den wir im besten Sinne überbrücken wollen. Die Geschicke also demjenigen übergeben wollen, der sich aus unserer Sicht am besten dafür eignet.

Wie haben Sie erkannt, dass Julian Menner der richtige Mann ist?

Ich erinnere mich noch gut an einen besonderen Moment mit ihm, als wir gerade das zweite Gespräch miteinander führten und ich ihm die Pläne für die neue Brauerei zeigte. Da hatte er sofort Ideen und bekam tatsächlich feuchte Augen. Nicht dass ihn das nun als Geschäftsführer prädestiniert. Aber dennoch steht diese Bewegtheit auch für ein tiefes Interesse an seiner Arbeit und nicht zuletzt am Wohlergehen dieser Brauerei. Julian bringt nicht nur Kreativität mit, sondern auch die Fähigkeit, Dinge immer wieder neu zu denken, neu anzupacken und sich nicht den alten Wegen verpflichtet zu fühlen. Gerade für eine Brauerei wie die unsere, die seit 9. Generationen besteht, ist das essenziell. Julian ist nicht nur ein fantastischer Braumeister, sondern passt auch menschlich zu uns. Auf der Basis von großer Sympathie und Respekt sind wir offen für gegenseitige Kritik. Wir hören einander zu und können uns mit neuen Ideen anstecken und diese auf den Weg bringen. Die Entscheidung für ihn war auch Herzenssache.

Warum stellen Sie die Weichen bereits jetzt, also im Alter von 56 Jahren?

Es geht für mich darum, ein Unternehmen strategisch zu führen und frühzeitig die Weichen für die Zukunft zu stellen. Und wenn ich erkenne, dass es jemanden gibt, der die Eigenschaften und die Fähigkeiten mitbringt, eine Führungsrolle zu übernehmen, der viel Wissen besitzt und Erfahrungen, dann kann dies auch ein Instrument sein, diesen Menschen zu binden. Für Julian und für uns ist das eine große Chance. Und wenn ich sehe, was wir in den zurückliegenden Jahren miteinander auf die Beine gestellt haben, dann bin ich sehr optimistisch. Wir haben die neue Brauerei aufgebaut, nach zwei Jahren erweitert, eine Entalkoholisierungsanlage und eine Zentrifuge eingebaut, einen Markenrelaunch umgesetzt und vieles mehr getan. In den letzten sechs Jahren haben wir uns von einer regionalen Traditionsbrauerei zu einer der innovativsten Brauereien Deutschlands entwickelt, sind aber nach wie vor authentisch und regio-nal verwurzelt.

Herr Menner, wie war es für Sie, von den Überlegungen der Familie Glaab zu erfahren? Wie haben Sie auf diese Offerte reagiert?

Tatsächlich waren wir über diese Dinge schon lange im Gespräch. Als ich 2015 zu Glaabsbräu kam, war ich quasi ein noch unbeschriebenes Blatt. Doch Robert hat schnell gemerkt, dass ich gerne strategisch plane und dies nicht nur aus meiner Position des Braumeisters heraus. Ich wollte nie nur die graue Eminenz im Hintergrund sein, sondern habe mich auch immer als Verkäufer verstanden. Du musst intern verkaufen, was du machst, und am besten verkaufst du es auch extern. Wer sollte glaubwürdiger sein als der Braumeister selbst? Bei Glaabsbräu habe ich ein Umfeld gefunden, wo ich nicht angeeckt bin mit diesen Vorstellungen. Hier fühlte ich mich gefördert und, wenn es sein musste, auch mal gebremst (lacht). Verblüffend war für mich allerdings der Zeitpunkt, da ich auf die Perspektive der Geschäftsführung angesprochen worden bin. Das war schon vor sechs Jahren. Und seitdem kann ich Entscheidungen mitbestimmen und mich Schritt für Schritt auf meine neuen Aufgaben vorbereiten. Seit zwei Jahren etwa arbeiten wir sehr konkret mit einem Maßnahmenplan. Ich weiß um meine Stärken, zum Beispiel führe ich liebend gerne Personal, das macht mir richtig Spaß. Ich weiß aber auch um Themen, an denen ich wachsen muss.

Das Brauen, den direkten Kontakt zum Bier, werden Sie das bei alldem nicht auch vermissen?

Das war eine meiner Bedingungen, dass die Arbeitsstruktur so beschaffen sein muss, dass ich nach wie vor ganz nah am Produkt sein kann. Dazu gehört auch, das Team so zu gestalten, dass dies möglich ist. Einen ehemaligen Praktikanten, der dann in Geisenheim studiert hat, haben wir über zwei Jahre hinweg zum Produktionsleiter herangezogen. Er macht ganz viel im Operativen, aber die Bereiche Technologie und Rohstoffe laufen weiter über mich. Wir wollen eine Brauerei sein, die ein Gesicht hat. Als Geschäftsführer und Braumeister möchte ich nie den Bezug verlieren zum Bier, ich möchte dafür geradestehen und auch bei Kritik direkt angesprochen werden.

Welche Impulse wollen Sie in den nächsten Jahren setzen? Wie und wohin soll sich Glaabsbräu entwickeln?

Ich konnte in den letzten Jahren schon sehr viel mitgestalten und einbringen, beispielsweise beim Thema Rohstoffstrategie. Hier hat mich stark Neumarkter Lammsbräu geprägt, der Betrieb, bei dem ich vorher war. Nachhaltigkeit ist mir persönlich extrem wichtig und mein Ziel ist es, einmal zur Familie Glaab sagen zu können, dass die einzige Emission, die wir haben, Bier ist. Natürlich will ich unser Sortiment, dass von anfänglich 5 auf mittlerweile 24 Sorten gewachsen ist, weiterentwickeln. Ich habe große Lust, mit unserem Team noch ganz viel auszuprobieren. Der Wille, gemeinsam Erfolg zu haben, ist etwas, das mich total antreibt.

Familie ist ein gutes Stichwort. Wenn man die Geschicke eines Familienbetriebs mit einer derart langen Tradition lenken will, wie nah muss man dieser Familie sein?

Man sollte sich im Geiste nah sein und sich vertrauen. Dieses Gefühl von Grundvertrauen habe ich sowohl gegen-über Robert Glaab als auch seiner Frau Emmanuelle. Es hat uns gemeinsam auch durch schwierige Phasen gehen lassen, wie zuletzt durch die vielen Monate der Corona-Pandemie. Das Thema Vertrauen reicht sogar eine Generation zurück, bis hin zu Roberts Eltern. Sein Vater Richard, der selbst Braumeister ist, beobachtet unser Projekt sehr genau. Er ist ein großer Befürworter, aber äußert auch Bedenken und Kritik. Trotzdem spüre ich auch bei ihm Vertrauen. Die Familie Glaab bestärkt mich darin, so zu sein, wie ich bin. Und beflügelt mich, mein Bestes aus mir herauszukehren.

Quelle: CRAFT – Magazin für Bierkultur No. 1 2022, S. 30-31

Weitere Infos auf: Meiningers Craft | Meiningers Craft

An den Anfang scrollen